"Nicht der Wind, sondern das Segel bestimmt die Richtung.”

Amtshaftungsanspruch wegen der Nichtfeststellung des Ruhens der Schulpflicht und der Nichtbewilligung von Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für eine web-Schule

Amtshaftungsanspruch wegen der Nichtfeststellung des Ruhens der Schulpflicht und der Nichtbewilligung von Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für eine web-Schule

 

Urteil des Landgerichts Chemnitz, Az.: 5 O 495/21; Urteil des OLG Dresden, Az.: 1 U 1924/22

 

Der Kläger hatte als Heranwachsender aufgrund von Autismus große Schwierigkeiten, den Schulalltag zu bewältigen.

Die Begleitung durch einen Schulhelfer erfolgte nicht vollumfänglich mit der Folge, dass eine Beschulung im Regelschulsystem scheiterte.

Die im Regelschulsystem vorhandenen Bedingungen ( u.  a. für seine Bedürfnisse zu große Klassen) stellten für den Kläger eine nicht zu bewältigende Herausforderung dar.

Seine Eltern beantragten daher für den 13-jährigen Kläger beim Schulverwaltungsamt daher das Ruhen der Schulpflicht und beim Jugendamt Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für eine web-Beschulung.

Tatsächlich wurde weder das Ruhen der Schulpflicht festgestellt, noch eine Kostenübernahme  für die Kosten einer web-Beschulung bewilligt.

Erst 2 Jahre später konnten die Eltern des Klägers in einem verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren einen Vergleich schließen, in dem das Schulverwaltungsamt sich verpflichtete, ein Gutachten über die Schulunfähigkeit des Klägers in Auftrag zu geben.

Erst 9 Monate später lag das Gutachten vor und das Schulverwaltungsamt stellte das Ruhen der Schulpflicht fest. Das Jugendamt bewilligte Eingliederungshilfe für die web-Beschulung.

Für die 2 Jahre, in denen der Kläger keine Beschulung bekommen hatte, machte der Kläger einen Amtshaftungsanspruch geltend.

Das Landgericht Chemnitz stellte mit Urteil zum Aktenzeichen 5 O 495/21 fest, dass der Beklagte als Träger des Schulverwaltungsamtes und des Jugendamtes verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die dadurch entstehen, dass der Kläger erst 2 Jahre später einen Schulabschluss  ablegen wird und daher erst 2 Jahre später einen Beruf erlernen und in diesem Geld verdienen wird.

Der Beklagte ging bezüglich des ersten Schuljahres in Berufung.

Das OLG Dresden gab der Berufung statt. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass selbst wenn der Beklagte auf den Antrag des Klägers umgehend ein Gutachten zur Feststellung der Schulunfähigkeit in Auftrag gegeben hätte, dieses 9 Monate in Anspruch genommen hätte und somit der Kläger nicht in der Lage gewesen wäre, das angebrochene Schuljahr erfolgreich abzuschließen.

Dass tatsächlich im Verwaltungsalltag eine Stellungnahme eines Amtsarztes oder eine behandelnden Arztes oder Psychologen ausreicht, um die Schulunfähigkeit eines Kindes oder Jugendlichen festzustellen und die schnelle Beschulung des Kindes/Jugendlichen zu sichern, ließ das Oberlandesgericht aufgrund seiner Unkenntnis der Verwaltungspraxis nicht gelten.

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